Mittwoch, Februar 18, 2009

Im Ausland interessiert dies die Staatsanwaltschaft, in der Schweiz gehört dies zum guten Ton.

Der folgende Artikel ist im Tagesanzeiger vom 18. Februar 2009 erschienen.

http://tagesanzeiger.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Der-grosse-Bahnraub-Finanzberater-pluenderten-Maerklin-aus/story/18457308

Der grosse Bahnraub: Finanzberater plünderten Märklin aus


Der Modellbahnhersteller zahlte in den letzten drei Jahren 40 Millionen Euro an externe Unternehmensberater. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Märklin.

Eine Sprecherin der Behörde sagte heute, es sei in den vergangenen Tagen eine Anzeige eingegangen. «Wir prüfen, ob wir Ermittlungen einleiten». Hintergrund der Anzeige sind offenbar die Millionenhonorare für Berater, die der Modellbahnhersteller in den vergangenen Jahren hatte aufbringen müssen. Märklin hatte am 4. Februar Insolvenz angemeldet.

Scharfe Kritik wegen Honorare für «Berater»


Die erste Amtshandlung des vorläufigen Insolvenzverwalters Michael Pluta war, sämtliche Berater der Firma zu entlassen. Wie die «Financial Times Deutschland» berichtet, ist Märklin ein Opfer der eigenen Berater. «Da tränen einem die Augen», sagte der Insolvenzverwalter gegenüber der Zeitung. «Ohne diese Berater wäre die Firma nicht pleite.» Im Jahr 2006 beispielsweise wurden bei einem Verlust von 13,8 Millionen Euro insgesamt 10,7 Millionen an Honoraren gezahlt. Über drei Jahre waren es insgesamt 40 Millionen.

Zum Beispiel an Robert Calhoun, einen Vertrauten von Matthias Hink, Gründer des Finanzinvestors Kingsbridge, zu dessen Firmenreich Märklin gehört. Hink wollte Calhoun laut dem Zeitungsbericht ursprünglich zum Chef von Märklin machen, wurde aber von der Bank Goldman Sachs, einem Co-Investor, daran gehindert. Und so avancierte Calhoun zum Berater, der allein in den letzten Monaten des vergangenen Jahres für sich und seine Sekretärin gut 250'000 Euro kassiert haben soll – und im Januar noch einem 45'000 Euro, bevor Märklin am 4. Februar Insolvenz anmeldete.

Von den «Sanierern» gründlich geplündert

Laut Pluta wurde die Kuh vor dem Schlachten auch von Eigentümer Kingsbridge kräftig gemolken – in Form von Managementgebühren, die er sich auszahlen liess. Ohne Rücksicht auf das Wohl der Firma und ihrer Beschäftigten, so die «Financial Times Deutschland» seien bei Märklin Jahr für Jahr Millionen abgesaugt worden – nicht nur für Beraterhonorare, sondern auch durch astronomische Geschäftsführer- und Aufsichtsratsbezüge, teure Darlehen und Bestandsverminderungen zu Schleuderpreisen.

Die Pleite der Traditionsfirma, so die Zeitung weiter, sei ein Paradebeispiel für zügellose Raffgier und dafür, wie pervers das Geschäft mit Sanierungen bisweilen betrieben werde. Kingsbridge und die Investmentbank Goldman Sachs hatten das Unternehmen im Frühjahr 2006 gekauft, als es zum ersten Mal vor der Gefahr einer Pleite stand.

Mehrere Interessenten für eine Übernahme

Insolvenzverwalter Pluta sieht allerdings Chancen, das Unternehmen zu retten. Seine Sprecherin sagte auf Anfrage, bei Märklin würden immer noch die Bücher geprüft. Für das Unternehmen gebe es mehrere Interessenten. Aber bevor man nicht wisse, wie die Zahlen aussehen, könne man auch keinen Kaufpreis festlegen.

Der Geschäftsbetrieb bei dem Modellbahnhersteller läuft trotz der Insolvenz weiter. In Deutschland sind an den Standorten Göppingen etwa 650 und Nürnberg rund 60 Mitarbeiter von der Pleite des Unternehmens betroffen.
(oku/raa/ap)

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