Mittwoch, August 26, 2009

"Das Recht wird mit Füssen getreten."

Im Folgenden geben wir den Artikel von Markus Schär, der am 25. August 2009 in verschiedenen Tageszeitungen erschienen ist, wieder:

Salenstein – «Wie ein Fürst» lebe Rolf Erb, 57, immer noch auf Schloss Eugensberg, schimpfen die Medien. Dabei brach die milliardenschwere Erb-Gruppe, die der Winterthurer zusammen mit seinem querschnittgelähmten Bruder Christian vor sechs Jahren von seinem verstorbenen Vater übernommen hatte, im Dezember 2003 zusammen. In seiner Blütezeit beschäftigte das schweizerische Vorzeige-Familienunternehmen, das aus einer von Hugo Erb sen. 1920 gegründeten kleinen Reparaturwerkstätte hervorgeganen war, knapp 5000 Mitarbeiter und erzielte einen nicht konsolidierten Umsatz von über 5 Milliarden Franken.

Rolf Erb hatte Eugensberg aus dem Firmenbesitz übernommen und im Frühjahr 2003 seinen damals einjährigen Zwillingssöhnen geschenkt – nach eigener Darstellung, weil es der todkranke Vater so wünschte. Diese Schenkung fechten die Gläubiger an. Vor dem Prozess läuft aber ein Prozess, ob die Beklagten, die inzwischen siebenjährigen Buben und ihre Mutter, einen unentgeltlichen Rechtsbeistand bekommen. Im Juli veröffentlichte das Thurgauer Obergericht sein Urteil: Wie das Bezirksgericht Steckborn weist es das Begehren ab.

Herr Erb, überraschte Sie der Entscheid des Obergerichts?
Nein, ich erwartete, dass es so herauskommen würde. Die fahrige Begründung des Obergerichts, die nur auf die Argumente der Gegenpartei und des Bezirksgerichts eingeht, erweckt den Eindruck, dass die Thurgauer diese heisse Kartoffel einfach dem Bundesgericht weiterreichen wollen. Aber es wäre ja nicht das erste Mal, dass das Bundesgericht einen Entscheid des Thurgauer Obergerichts kehrt.

Sie halten nicht viel von der Thurgauer Justiz?
Die Anwälte und die Richter kennen sich hier gut, einige von ihnen treten ja sogar in beiden Rollen auf. Und das Büro des Gegenanwaltes, Matthias Hotz, pflegt enge Beziehungen zu Politik und Justiz. Aber ich verstehe, dass das Obergericht so entscheiden musste – nach dem gewaltigen medialen Druck, den die Gegenpartei aufgebaut hat.

Die Medien warfen Ihnen vor, dass die Thurgauer Steuerzahler für Ihren Prozess aufkommen sollen, obwohl Sie immer noch in einem Schloss wohnen.
Es geht nicht um mich, sondern um meine 7-jährigen Kinder und ihre unverheiratete Mutter. Und Sie müssen auch sehen: Die Familie Erb und ihre Unternehmen zahlten bis zum Zusammenbruch der Erb-Gruppe Millionen an Steuern und gaben Tausenden von Leuten Arbeit. Schloss Eugensberg, ein wertvolles Kulturgut, retteten wir seinerzeit mit mehr als 20 Millionen Franken vor dem Ruin; dies taten wir nicht nur für uns, sondern für die kommenden Generationen und auch für den Kanton Thurgau. Es ist ein Grundrecht, dass Mittellose einen unentgeltlichen Beistand bekommen.

Die Gerichte bestreiten allerdings, dass Sie mittellos sind.
Das Obergericht anerkennt die Mittellosigkeit bei meiner Lebenspartnerin, die sich für unseren Unterhalt ja sogar verschulden musste, aber nicht für die unehelichen Kinder. Es behauptet, wenn ich nicht auf Eugensberg wohnen würde, hätte ich wieder Vermögen bilden können. Aber das ist völlig falsch: Ich bin seit 2004 in Konkurs; wenn ich wieder zu Vermögen käme, würde es gleich gepfändet.

Sie erzielen aber Einnahmen, indem Sie die Nebengebäude und den Bauernbetrieb verpachten.
Ja, wir haben unsere gesamten Einkommensverhältnisse dem Gericht offen gelegt. Die Einnahmen reichen knapp aus, um das Schloss so zu unterhalten, dass es keinen Schaden nimmt. Darum bemühen wir uns jeden Tag.

Weshalb sind Sie nicht längst ausgezogen?
Das Schloss ist von den Sachwaltern mit einer Grundstückssperre belegt. So lange die Prozesse laufen, können wir es also bestenfalls vermieten. Damit beauftragten wir schon 2004 einen Immobilienmakler. Er fand aber angesichts der unsicheren Besitzverhältnisse und des aufgelaufenen Renovationsbedarfs von rund 5 Millionen keinen zahlungskräftigen Mieter für das Schloss selber. Verkaufen liesse es sich im Thurgau mit seinen zahlreichen zum Verkauf stehenden Schlössern kaum, solche aufwendigen Liegenschaften sind gerade in der heutigen Zeit wenig gefragt. Die Sachwalter versprechen sich also wohl zu viel an Verkaufserlös.

Ziehen Sie den Prozess um die Unentgeltlichkeit der Prozessführung tatsächlich ans Bundesgericht weiter?
Ja klar, das sind wir unseren Kindern schuldig.

Weshalb?
Die Sachwalter fordern von den Kindern nicht nur die Vermögenswerte zurück, sondern rechnen auch einen irrealen Mietzins für das Schloss auf. Er beläuft sich bisher auf 8,6 Millionen, bis zum Abschluss des Prozesses beträgt er wohl 10 bis 12 Millionen. Dazu kämen 2 Millionen allfälliger Schadenersatz; ausserdem müssten meine Söhne die Prozessentschädigung bezahlen. Obwohl sie nicht darüber bestimmen konnten, wo ihre Eltern wohnen, bekämen sie also bei der Volljährigkeit eine schwere Schuldenlast fürs Leben aufgebürdet. Wenn sie in dieser Lage keine Verteidigung erhalten, dann zweifle ich am Schweizer Rechtsstaat. Aber natürlich wünscht sich die Gegenseite, dass wir uns nicht wehren können. Dass sie dabei den Verfassungsgrundsatz des Rechts auf einen fairen Prozess mit Füssen tritt, stört sie herzlich wenig.

Die Gerichte verweigern Ihnen allerdings die unentgeltliche Prozessführung auch, weil sie den Prozess für aussichtslos halten.
Das sehen befreundete Anwälte nicht so. Die Gegenpartei behauptet, bei der Übertragung von Schloss Eugensberg aus dem Besitz der Hugo Erb AG an mich und danach an meine Söhne habe es sich um Simulationsgeschäfte gehandelt. Die Gegenpartei übersieht, dass es um eine Schenkung meines Vaters an seine Enkel ging. Dabei war ich lediglich Treuhänder meiner Kinder. Mein Vater wäre vom Konkurs nicht betroffen gewesen. Er durfte sein ganzes Vermögen nach Belieben verschenken. Es ging also um den Vollzug einer Erbregelung meines sterbenden Vaters, und die zukünftigen Entwicklungen liessen sich damals für die handelnden Personen nicht absehen.

Bis vor einem Jahr liefen Vergleichsverhandlungen, um einen Prozess zu vermeiden.
Ja, nach zweijähriger Arbeit, zusammen mit dem Thurgauer Immobilien-Investor Hermann Hess, stand im Sommer 2008 ein fixfertiger Vergleichsvertrag. Wir boten darin den grössten Teil der strittigen Vermögenswerte an, also Schloss Eugensberg, das historische Inventar, die Autosammlung, Aktien und die Villa Wolfensberg in Winterthur.

Weshalb scheiterte der Vergleich?
Die Anwälte von Hermann Hess zogen sich zurück, weil man mit der Gegenseite nicht fair verhandeln konnte. Die Sachwalter wünschen offensichtlich keinen Vergleich – sie leben ja seit Jahren gut von diesem Mandat.

Dann gibt es keinen Vergleich mehr?
Doch, ich habe den zuständigen Sachwalter im Februar brieflich um ein Gespräch unter vier Augen gebeten. Ich warte immer noch auf seine Antwort. Wir bieten weiterhin Hand zu einem Vergleich, der für beide Seiten vernünftig ist. Aber die Gegenpartei muss uns mindestens zugestehen, dass wir selber entscheiden, was für uns vernünftig ist.

Daneben läuft immer noch ein Strafverfahren gegen Sie.
Die Staatsanwaltschaft lässt jetzt nach umfangreichen Zeugenbefragungen und Einvernahmen ein zweites Gutachten erstellen. Offensichtlich ergab das erste nicht, was sie für eine Anklage brauchte. Es dauert also sicher noch eineinhalb bis zwei Jahre, bis es zum Prozess kommt, wenn überhaupt. Aber alles läuft völlig korrekt ab; um der Sache zu dienen, kooperieren mein Bruder und ich deshalb gerne. Es geht den Staatsanwälten offensichtlich darum, die Sachlage im Detail zu verstehen, um dann die Schuldfrage sorgfältig zu klären.

Also eine nie endende Geschichte?
Nein, wir ziehen jetzt den Prozess um die unentgeltliche Prozessführung für die Kinder und meine Lebenspartnerin vor Bundesgericht; das dauert wohl bis im Frühling 2010. Dann sehen wir weiter. Wir haben auch ein Interesse daran, dass dieses Verfahren nicht ewig geht. (ThurgauerZeitung)

Erstellt: 25.08.2009, 08:40 Uhr

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

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Anonym hat gesagt…

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